„Shanghai ist das Überraschungsmenü der chinesischen Küche“
Wer gerne genießt, sollte diesen Winter mit Lufthansa nach Shanghai fliegen, denn dort ist DeAille Tam, Chinas erste Sterneköchin, tätig. Mit uns hat sie ihre besten Restauranttipps und Empfehlungen für das chinesische Neujahrfest geteilt
DeAille Tam fährt am liebsten mit dem E-Scooter durch ihre Wahlheimat Shanghai. Zusammen mit ihren beiden Hunden, die in einem Korb vorn am Lenker sitzen dürfen, blickt sie im dichten Verkehr zu glitzernden Bürotürmen empor und schlängelt sich durch enge Gassen mit alten Steinhäusern, in denen alte Männer auf dem Gehweg Mahjong spielen. „Ich kann nur allen empfehlen, die Stadt mit dem E-Scooter oder dem Fahrrad zu erkunden“, sagt Tam. „So kommt man Shanghai am schnellsten näher. Räder kann man sich an fast jeder Straßenecke per App leihen.“
Neues entdecken im Restaurant Obscura
Ihr Restaurant Obscura, das sie 2020 gemeinsam mit ihrem Mann Simon Wong eröffnet hat, befindet sich im Viertel Jing’an im Zentrum Shanghais. „Wer das erste Mal bei uns isst, wird lauter Gerichte entdecken, die er oder sie noch nicht kennt“, verspricht Tam, die aus Hongkong stammt und in Kanada aufgewachsen ist. „Der Name Obscura steht für Neugierde und Grenzenlosigkeit. Wir wollen den kulinarischen Horizont unserer Gäste erweitern, indem wir traditionelle chinesische Rezepte neu interpretieren und mit westlichen Einflüssen kombinieren. Ideen für unsere Rezepte finden wir auf Reisen durch ganz China und den Rest der Welt – und natürlich in den Straßen Shanghais.“
Eine besondere Zeit, um die Stadt zu erkunden, ist das chinesische Neujahrsfest – eine der traditionellsten Feierlichkeiten des Landes, die 15 Tage lang dauert. „Dann leuchten die kleinen Gassen in den Farben bunter Laternen, und in den Parks finden Schattenspiele und Drachentänze statt“, so DeAille Tam. Das soll helfen, Geister zu vertreiben. Denn einer Legende zufolge wirken die Farben Rot und Gold abschreckend auf das Böse. Das Fest findet in jedem Jahr an einem anderen Datum statt, das sich am traditionellen Mondkalender orientiert. Es liegt aber immer zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar.
Rote Kleidung und Köstlichkeiten zum Teilen: das chinesische Neujahrsfest
Sowohl vor als auch am Neujahrstag selbst zelebriert Tam wie viele andere verschiedene Rituale. Je nach Region unterscheiden sich diese. Aber eines ist der Köchin besonders wichtig: Zeit mit ihren Liebsten. „Traditionell wird das Fest im Kreise der Familie gefeiert. Der beste Ort zum Feiern ist deshalb ein typisch chinesisches Restaurant, in dem die Einheimischen an runden Tischen zusammensitzen und sich Neujahrspezialitäten teilen.“ Einen ganzen Fisch zum Beispiel oder Eight Treasure Duck, eine mit acht verschiedenen Fleisch- und Gemüsesorten gefüllte Ente. „An solchen Abenden liegt so viel Glück in der Luft, dass sich das sofort auch auf Außenstehende überträgt“, schwärmt Tam. „Am besten trägt man an Neujahr etwas Rotes – denn dann begrüßen einen die Einheimischen sofort mit einem breiten Lächeln. Rot ist eine wichtige Farbe zur Zeit des Neujahrsfests. Sie schützt nicht nur wie gesagt vor dunklen Mächten, sondern steht auch für Energie, Glück, Gesundheit und Wohlstand.“
Die 26-Millionen-Metropole ist für Tam ein unerschöpflicher Quell der Inspiration: „Obwohl wir bereits neun Jahre in Shanghai leben, entdecken wir immer noch kulinarische Besonderheiten. Am meisten lernen wir von Köch:innen kleiner Straßenlokale, die über Jahrzehnte traditionelle Gerichte perfektioniert haben, oder von Marktverkäufer:innen, die uns erklären, wie man bestimmte Zutaten zubereitet, damit sie ihren vollen Geschmack entfalten.“
Tam empfiehlt für Foodies die Märkte Wuzhong und Mengxi sowie die traditionellen Restaurants Bao Li Xuan, Bvlgari, Sheng Yong Xing und Fu 1015. Hier müsse man unter anderem Dim Sum, Pekingente oder die lokale Spezialität Hong Shao Rou, süßlich schmeckenden geschmorten Schweinebauch, essen. „Shanghai ist das Überraschungsmenü der chinesischen Küche“, schwärmt Tam. „Hier kann man sich durch das ganze Land probieren.“
Während Shanghai einerseits eine brummende Hightech-Metropole ist – jeder zahlt mit dem Smartphone, künstliche Intelligenz steuert den Energieverbrauch von Bürotürmen, und im drittgrößten Wolkenkratzer der Welt, dem über 600 Meter hohen Shanghai Tower, erreicht man die Aussichtsplattform im 119. Stock mit dem Fahrstuhl in nur 55 Sekunden –, scheint in den Gassen der alten Viertel niemand in Eile zu sein: „Die Menschen unterhalten sich auf der Straße mit ihren Nachbarn, kauen Sonnenblumenkerne und wedeln sich mit Fächern Luft zu. Es ist, als würde das Leben in den verschiedenen Teilen der Stadt in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ablaufen.“
Shanghaier Frühstück: Suppe oder Kaffee
Diese Viertel, so Tam, sind der beste Ort, um eine typische Shanghaier Spezialität zu probieren: Dou Jiang You Tiao, eine Suppe aus salziger Sojamilch mit Chilis und Zwiebeln, in die man zum Frühstück frittierte Teigstücke dippt. „Nichts wärmt so gut von innen und weckt einen so schnell auf wie diese Suppe.“ Wer lieber klassisch mit Kaffee in den Tag startet, hat in Shanghai die Qual der Wahl. Über 10.000 Coffeeshops soll es in der Stadt geben, die neben Cappuccino und Latte auch diverse andere koffeinhaltige Kreationen wie etwa Kaffee-Cocktails anbieten. DeAille Tams Favoriten sind das Ops Cafe, Trung Nguyen Legend und Fuel Espresso.
Wer in Tams Restaurant Obscura essen möchte, der sollte mindestens einen Monat im Voraus reservieren, denn das Restaurant ist klein und exklusiv, an den einzigen Tisch passen nur elf Gäste. Die können dann zusehen, wie Tam und ihr Team alle Gänge in einer offenen Küche zubereiten. „Für mich ist das Restaurant ein Ort des Austauschs“, erzählt Tam. „Zu jedem Gericht erzählen wir, wie es entstanden ist und wo wir die Idee dazu hatten. Mal geht es geschmacklich ganz in den Osten Chinas, mal in den Süden, Norden oder Westen.“ Köchin zu sein, weiß Tam, heißt heute nicht mehr nur, sein Handwerk zu beherrschen, sondern vielmehr, außergewöhnliche Erlebnisse und Erinnerungen zu schaffen. Vor allem aber ist DeAille Tam eines wichtig: „Als Köchin vertrete ich die chinesische Kochkultur. In meinem Restaurant habe ich die Chance, mit Menschen aus aller Welt auf eine Reise durch ganz China zu gehen und eine jahrtausendealte Kultur zu erkunden.“
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